Rechtsprechung zur Pflichtverteidigung

Pflichtverteidigung bei drohendem Bewährungswiderruf in anderer Sache

Es liegt gemäß § 140 Abs. 2 ein Fall notwendiger Verteidigung vor, wenn neben den Rechtsfolgen für die verfahrensgegenständliche Tat sonstige schwerwiegende Nachteile für den Angeklagten infolge der Verurteilung zu gewärtigen sind. Zu diesen Nachteilen gehört ein drohender Bewährungswiderruf jedenfalls dann, wenn die zu erwartende Verbüßungsdauer der in früheren Verurteilungen verhängten Freiheitsstrafen ein Jahr überschreitet.

Auswechslung des Pflichtverteidigers bei allseitigem Einverständnis

Eine Auswechslung des Pflichtverteidigers ist bei allseitigem Einverständnis, dem Ausschluss einer Verfahrensverzögerung und der Vermeidung von Mehrkosten grundsätzlich möglich. Der Verzicht des neuen Verteidigers auf Geltendmachung der durch den Verteidigerwechsel entstandenen Mehrkosten ist zulässig.

Kein Besuch des Pflichtverteidigers in der Untersuchungshaft

Der fehlende Besuch des Pflichtverteidigers über einen Zeitraum von zwei Monaten bei einem wegen versuchten Totschlags einstweiligen untergebrachten Beschuldigten vermag das fehlende Vertrauen des Beschuldigten zu dem beigeordneten Verteidiger zu rechtfertigen und stellt mithin einen Grund für eine Entpflichtung dar.

Pflichtverteidigerbestellung für die Berufungsinstanz

Ein Fall der wegen der Schwere der Tat notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 2 StPO liegt in der Regel bereits dann vor, wenn der Angeklagte in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten ohne Bewährung verurteilt worden ist, nur er Berufung eingelegt hat und für den Fall seiner rechtskräftigen Verurteilung mit dem Widerruf einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von acht Monaten rechnen muss, die insgesamt drohende Freiheitsstrafe somit ein Jahr beträgt.

Bestellung des bisherigen Wahl- zum Pflichtverteidiger

Entzieht der Angeklagte in der Hauptverhandlung seinem Verteidiger unter Berufung auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis das Mandat, so hindert dies die Bestellung des bisherigen Wahlverteidigers zum Pflichtverteidiger jedenfalls dann nicht, wenn die von dem Angeklagten vorgetragenen Behauptungen zwar erheblich, aber ersichtlich unzutreffend sind. Erstattet der nach Mandatsentzug bisherige Wahlverteidiger und sodann als Pflichtverteidiger beigeordnete Verteidiger gegen den Angeklagten wegen der Äußerungen des Angeklagten betreffend die Gründe für den Mandatsentzug Strafanzeige, so liegt darin i. d. R. ein wichtiger Grund, der Anlaß gibt, einem Antrag des Verteidigers auf Entpflichtung stattzugeben.

Pflichtverteidiger im Ermittlungsverfahren nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft

Im Ermittlungsverfahren besteht weder ein Antragsrecht des Beschuldigten auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers, noch eine autonome Entscheidungsbefugnis des Gerichts hinsichtlich der Pflichtverteidigerbestellung im Vorverfahren. Eine solche setzt einen Antrag der Staatsanwaltschaft zwingend voraus. Ob dem Beschuldigten im Ermittlungsverfahren aus § 141 Abs. 3 Satz 1, 2 StPO ein eigenes Recht,…