Auswechslung des aufgedrängten Pflichtverteidigers

Auswechslung des aufgedrängten Pflichtverteidigers

Vorrang der Beiordnung eines benannten Rechtsanwalts auch bei vorheriger Bestellung eines anderen Pflichtverteidigers.

Vorliegend ist die Verfahrensvorschrift des § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO unbeachtet geblieben, welche das im fairen Verfahren zu beachtende Interesse des Beschuldigten konkretisiert, von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden1. Es lag kein begründeter Anlass vor, von der vorgesehenen Anfrage beim Beschuldigten ausnahmsweise abzusehen: Eine besondere Eilbedürftigkeit ist dem erst nach über drei Wochen beschiedenen Antrag des inhaftierten Beschwerdeführers, dessen zugleich erstrebte Haftprüfung noch ohne Verteidiger durchgeführt worden war, ersichtlich gerade nicht zuerkannt worden. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in dem Antrag von sich aus keinen Rechtsanwalt als gewünschten Pflichtverteidiger benannt hatte, machte seine Anhörung nicht grundsätzlich entbehrlich; es war nicht ohne weiteres davon auszugehen, der Beschwerdeführer hätte sein Vorschlagsrecht gekannt, aber darauf verzichten wollen2.

Allein die Nichtbeachtung des § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO begründet allerdings noch nicht die Revision3. Der Beschwerdeführer sieht aber unter Berücksichtigung des anschließenden Verfahrensablaufs zutreffend einen durchgreifenden Ermessensfehler in der Ablehnung seines Begehrens, ihm in Abänderung der getroffenen Beiordnungsentscheidung den Verteidiger seiner Wahl zum Pflichtverteidiger zu bestellen. Mit der ablehnenden Entscheidung hat der Strafkammervorsitzende die Bedeutung des Rechts des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren verkannt.

Danach ist bei der Auswahl des Pflichtverteidigers dem Interesse des Beschuldigten, von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden, ausreichend Rechnung zu tragen; grundsätzlich soll der Beschuldigte mit der Beiordnung des Verteidigers seines Vertrauens demjenigen gleichgestellt werden, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat4. Das bedeutet, dass einem zeitgerecht vorgetragenen Wunsch des Beschuldigten auf Beiordnung eines von ihm benannten Rechtsanwalts grundsätzlich zu entsprechen ist, es sei denn, wichtige Gründe stehen dem entgegen.

Die geschützte Interessenlage des Beschwerdeführers war hier schon durch die unterbliebene Anhörung nach § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO vor der Pflichtverteidigerbestellung nicht in gebotener Weise beachtet worden. Nachdem anschließend gleichwohl der Wunsch des Beschwerdeführers, von einem anderen Rechtsanwalt verteidigt zu werden, alsbald – noch bevor der bestellte Verteidiger maßgeblichen Arbeitsaufwand investiert hatte – aktenkundig geworden und anschließend vom Beschwerdeführer noch mit sachlichen Argumenten besonders begründet worden war, lag hier ein – vom Strafkammervorsitzenden zu Unrecht vermisster – wichtiger Grund für die begehrte Änderung der Pflichtverteidigerbestellung ersichtlich vor. Deren Ablehnung verletzte folglich das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren.

Dass der Beschwerdeführer sein Begehren nicht unmittelbar zu Beginn der Hauptverhandlung nochmals vorgebracht hat, stellt seine Rügebefugnis hier nicht in Frage. Nach dem Verfahrensvorlauf war ihm als Laien eine Wiederholung seines bereits mehrfach abgelehnten Wunsches, den er aus seiner Sicht für wenig aussichtsreich erachten musste, nicht zuzumuten, die Hilfe seines amtierenden Verteidigers konnte er für sein Begehren nicht in Anspruch nehmen.

Der Beschwerdeführer hat auch nicht etwa über einen wesentlichen Zeitraum die Verteidigung widerspruchslos hingenommen, so dass seinem Verhalten auch nicht etwa eine nachträgliche Zustimmung zur Pflichtverteidigerbestellung, die dann im Revisionsverfahren nicht widerrufen werden könnte, zu entnehmen ist.

BGH, Beschluss v. 25.10.2000 – 5 StR 408/00

  1. vgl. dazu Laufhütte in KK 4. Aufl. § 142 Rdn. 8 m.w.N. []
  2. vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 271 []
  3. vgl. BGHR StPO § 142 Abs. 1 – Auswahl 3 []
  4. vgl. BVerfGE 9, 36, 38; BGHSt 43, 153, 154 f. []